Ostsee 2013

Moin,

Ostsee 2013 - Herzschmerztripp

Tag 1
Diesmal nix mit Anspruch. Keine aufregende Strecke. Nix extremes. Einfach nur aus der Haustür raus und losgehen. Über Wege, Straßen, durch Wälder und Wiesen, Dörfer und Städte. Urban walking. Luftlinie knappe 70km. Zu Fuß wohl mehr. Gedanken treiben lassen. Zu sich selbst finden. Den Herzschmerz bewältigen. Das waren dann noch neben Aspekte.
Also ging es an einem Donnerstagmorgen nach einer Krankengymnastischen Behandlung der Schulter los. Rucksack hoch. Schulter gespürt. Und die ersten Schritte. Zunächst durch den nördlichen Rand von Hamburg. Entlang wohlbekannter Jogging Strecken. Dann entlang von Abschnitten die wohl schon mal mit dem Auto, noch nie aber zu Fuß, bewältigt wurden. Die Sonne scheint. Was nicht abzusehen war.

Bereits nach wenigen km die Erkenntnis, dass die extra angeschaffte Karte wohlbehalten zu Hause liegt. Egal. Ein grober Pfad ist als .gpx auf dem Handy. Das muss reichen. Rückversicherung braucht es nicht. Und die nächste Bushaltestelle wird eh nie weit weg sein. Nächster Schock. Das Tape für mögliche Blasen liegt neben der Karte. Kurz bevor Hamburg Geschichte ist, also noch ein Schwenk in eine Apotheke. Etwas Tape gekauft. Das könnte noch wichtig werden.
Flott geht es voran. Die Gegend wird ländlicher und ich wandle auf unbekannten Pfaden. Geräusche der Stadt. Der Zivilisation. Ich bin jetzt außerhalb der Stadtgrenzen. Außerhalb jeglicher Dorfgemeinschaft. Aber die A7 ist nicht weit. Nicht weit sind einige Kilometer. Ich werde die A7 irgendwann überqueren. Aber ich höre Sie. Über viele Kilometer. Ein dumpfes Brummen. PKW, LKW sind zu unterscheiden. Flugzeuge. Einflugschneise. Es wird nie leise hier. Urban Outdoor. Eine neue Erfahrung.
Ich passiere einen für mich auf dieser Wanderung wichtigen Ort. Ein flüchtiger Blick. Ich kam hierher um von hier weg zu gehen. Verstehe nur ich. Wollte ich aber erwähnen. Ab jetzt wird es ruhiger. Die A7 weit hinter mir. Die Dörfer kleiner. Die Wege weiter weg von der Zivilisation. Aber noch oft eine Straße. Ein Landwirtschaftlicher Nutzweg. Nur selten ein Weg, ein Pfad durch Wald.

Ein Brötchen. Später noch 125gramm Müsli. Mein Futter für heute. Ich genieße die Sonne. Die Eindrücke und das Wissen nirgends ankommen zu müssen. Ich habe alles dabei. Lager ist dort wo die Füße müde werden. Noch sind sie es nicht. Die 30km Marke liegt hinter mir und noch geht es flott voran. 15Kg. Ultraleicht ist anders. Aber Komfort ist 15kg. Futter. Wasser. Nett warme Tüte. Biwaksack. Kocher und Co.
40km sind durch und ich werde müde. Das Licht geht langsam aus und nach wenigen weiteren km finde ich zwischen zwei Wiesen einen einladenden Knick. Ich rolle Isomatte und Biwaksack aus, fülle meinen Schlafsack hinein, verstaue Rucksack und Schuhe im Biwaksack, rolle mich in die Schlaftüte und finde man kann auch um 19:00 schon schlafen.


Tag 2
Der Knick war mir ein gutes Nachtlager. Ich rolle mein Zeugs zusammen. Breche auf und stelle nach ca. 2km fest, dass das brummen der Nacht doch keine Belüftung eines Stallgebäudes war sondern das rauschen der Windräder. Auch nicht leise die Dinger.
Die Landschaft ist einsamer. Die Strecke führt häufiger durch Wald. Ich komme gut voran. Weder Füße noch Hüfte – die Athrose bedingt durchaus Ihre wehleidigen Momente hat – machen mir Sorgen. So darf das Bleiben. Ein Brötchen und einen Kaffee hatte ich schon. Ein zweites passt noch rein. Äpfel von einem Straßenstand folgen. Damit lief es dann für 25km ganz gut.



ch treffe auf den Elbe Lübeck Kanal und frage mich, warum ich bei der groben Wegplanung nicht diesen als Strecke gewählt habe. Da es durch Lübeck gehen soll, ändere ich meine Wegführung und folge dem Kanal. Die Sonne des Vortags ist leider heute noch nicht zu sehen gewesen. Wolkig, aber Trocken. Am Kanal ergänzt um fiesen Wind. Ich fröstel. Unter einer Brücke noch ein kaltes Müsli. Ich sehe Lübeck. Eine Brücke. Aber ohne Zu- und Abgang. Klettern. Nicht das was ich jetzt wollte. Aber machbar. Ich bewältige das Hindernis.

Am Kanal entlang durch eine verlassene Kleingartensiedlung komme ich in den Innenstadtbereich. Die Dunkelheit bricht ein. Im „Junge Helden“ Shop einer Bäckerei Kette (Azubi-Laden) gönne ich mir zwei Latte Machiato und ein Körnerbrötchen.

Ich bin erschöpft. Aber mitten in der Stadt. Nach norden, der Trave folgend, suche ich nach Grün. Aber ich durchschreite Hafen und Industrie. Und Industrie und Hafen. Endlos geradeaus. Ich werde müder. Dann ein Park. An einem Teich. Nicht groß. Aber grün. Irgendwie. Und nass. Denn es nieselt. OK. Hier wird nicht mehr diskutiert. Über 50km heute reichen. Ich verziehe mich ins Unterholz des Parks. Erneut werden Biwaksack und Co ausgebreitet. Schön warm. So geht Geborgenheit.
Diese Nacht ist angefühlt vom Lärm der Stadt. Von einem Körper der erschöpft und unruhig ist. Aber auch Ruhe und Schlaf findet.
Tag 3.
Die Ostsee ist nah. Ich verlasse Lübeck. Finde ich mich in einem Wald mit Bistro und gönne mir einen Kaffee. Schmeckt nach löslichem und die Haube drauf ist Sprühsahne. Egal. Es regnet. Ich bin nass. Das Getränk ist warm. Mehr ist nicht nötig. Im Wald sehe ich die Schäden des letzten Sturms. Auch wenn ich gut zu Fuß bin, tauchen unter umgestürzten Bäumen zwickt.

Ich folge einer alten kleinen kaum befahrenen Straße und komme gut voran. Im nächsten Ort verlasse ich die Straße und folge einem Feldweg. Er soll mich direkt nach Travemünde führen. Der Regen nimmt zu. Schön zu spüren, wie das Gewicht der Klamotten langsam steigt. Die Näse Ihren Weg findet. Aber mit dem Ziel vor Augen ist das alles egal.


Noch kurz durch den Ort. Die Promenade entlang. Der Leuchtturm auf der Mole. Angekommen. Heute nur schnelle 20km. Als Service für die Badegäste prangt die Abfahrtzeit des nächsten Zuges weit sichtbar am Bahnhof. Gut. Es bleibt Zeit für ein Stück Kuchen als Belohnung.


Schnell die trockenen Klamotten angezogen, ein Ticket gelöst und dann mit - zu der Zeit noch glücklichen – HSV Fans Richtung Hamburg gedüst. Mit der Bahn doch schneller als zu Fuß.
Ich hatte Spaß. Ich habe mir die richtigen Gedanken gemacht und werde wohl derartige „nicht landschaftlichen“ Wanderungen wiederholen.